Sonntag, 27. November 2011

Inniglich

innininininininininininiinniglich inniglich inniglich innig betrachtete sie ihren Bildschirm. Bild. Schirm. Ersteres lud den Betrachter zum Staunen ein, zur Interpretation, letzterer schützte vor kalter Nässe. Sie hatte einen rot-weiß-gepunkteten. Das vor ihr war kein Bild-Schirm. Es gab nicht zu Staunen, es gab nichts zu Interpretieren und rot-weiß-gepunktet war hier schon einmal gar nichts. Nur weiße, unbeschmutzte Leere, die besudelt werden wollte. „Dir werd ich´s zeigen, Sauron!“ dacht´s und schrieb voll Eifer drauf los.

Unten im Innenhof harkten zwei betagte Frauen Laub, polkten die bunten Blätter vom begrünten Boden und stopften sie in durchsichtige Foliensäcke. Fünf Stunden später würde es dämmern und die Harkenden hätten zwar an ein Dutzend Säcke gefüllt, der bearbeiteten Fläche würde man es indes kaum ansehen. Fortwährend übten die Silberpappeln Aufstand, indem sie unablässlich ihre zitternden Blätter wie Schmetterlinge freigaben und auf die Erde sinken ließen, um sie in Ansehung des nahenden Winters mit einer wärmenden Decke aus Laub zu überziehen. Die Frauen würden weiterharken. Weiterpolken. Weiterstopfen. Bis die Dunkelheit über ihnen hineinbräche. Am kommenden Morgen würden sie nicht wiederkommen und nur das Dutzend Foliensäcke würde daran erinnern, dass sie einst zugegen gewesen waren. Der Wiese hingegen sähe man das nicht an.

Am Tag darauf beobachtete sie in eben jenem Innenhof einen in einen kunterbunten Skianzug gehüllten Knirps, der die übrig gebliebenen, fein gestapelten Laubhäufchen jäh zerstörte. Der farbenfrohe Knirps verspürte keine Scham, keine Schuld. Allein Frohlocken lag ihm im Sinn. Der Skianzug erschwerte die Bewegungen, aber der Knirps bemerkte das nicht, hatte er doch eben erst das Laufen gelernt und wusste noch nicht um den Unterschied zwischen beschwingtem Springen und eingeengten Strampeln. Unwissenheit schütze ihn. So quietschte er weiter vor sich hin, katapultierte Laubwerk in die Höhe (d.h. aus seiner Sicht „Höhe, aus Sicht seines Erziehungsberechtigten „Wadenhöhe“). Seine Jauchzer erhellten die ruhige Stille.

Die harkenden Frauen hatten Blumenzwiebeln in den Boden gestopft, bevor sie vor der Dunkelheit geflohen waren. Sie war gespannt, was da aus dem Boden sprießen würde. Wäre sie immer noch oder schon wieder hier, wenn es passieren würde? In freudiger Erregung auf den noch so fern scheinenden warmen Hauch des Frühling machte ihr Herz einen kleinen Sprung. Als es wieder gelandet war, fand es ohne Müh in seinen alten Trott zurück und schlug unaufhörlich weiter. Und weiter. Und weiter. Und weiter. Ausweislich ihres Organspendeausweises wollte sie diesen Teil ihres Körpers nach ihrem Ableben nicht einem anderen überlassen. Warum eigentlich? „Vielleicht sollte man das mal ändern“, dachte sie. Ja, vielleicht sollte man. Ihr Herz war gesund und stark. Es war das Herz einer gesunden, sportlichen, sich wohl ernährenden jungen Frau. Überführe sie jemand auf ihrem roten Fahrrad – vielleicht jemand, der ein Spenderherz suchte (?) – so könnte er das ihre nehmen und damit Runde um Runde drehen. Vielleicht sollte sie das auf ihrem Spendeausweis als Bedingung vermerken: „Herz ja, aber nur wenn zu ausgiebigen Fahrten mit Ulla, mon velo rouge, genutzt.“ Das gefiel ihr. So sollte es sein! Dann widmete sie sich wieder hingebungsvoll ihrer eigentlichen Aufgabe.

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