Mittwoch, 12. Januar 2011

Wir sind nicht besser. Wir entsprechen nur glücklicherweise der Norm.

In den vergangenen beiden Tagen war ich im Gefängnis und habe mit Insassen gesprochen sowie in der forensischen Psychiatrie, also bei Straftätern, die wegen psychischer Krankheit schuldunfähig sind.

Meine Gedanken, meine Gefühle müssen raus und hier muss jetzt Platz dafür sein:

Heute: Gefängnis:

Ein Mörder, der nach 13 Jahren zum ersten Mal unter Aufsicht einkaufen geht und einen Pfandflaschenautomaten kennenlernt und mal pilgern möchte.

Ein spielsüchtiger Kokainhändler, der gerne joggt und im Gefängnis deutsch lernt.

Ein als Nazi erzogener, in der Kindheit schwer misshandelter Totschläger, der seine Kinder unendlich liebt, eine Prostitierte mit 15 Messerstichen niedergemetzelt hat und aussieht wie Jürgen Vogel.

Ein dünner, hagerer, sympathischer, netter Kerl, über den man nach dem Gespräch erfährt, dass er mehrere Kinder sexuell missbraucht hat; dass er selbst als Kind sexuell missbraucht wurde...


Gestern: Forensische Psychiatrie:

Menschen, die unglaublich, ja unfassbar mit Medikamenten zugedröhnt sind und als seelenlose Körperhüllen mit leerem, irren Blick über die Gänge schlurfen.

Unglaublich tolle gemalte Bilder psychisch gestörter Menschen, die in den Bann ziehen, die so viel sagen.

Ein junger Chinese, der lacht, während man verstohlen auf die Würgemale schaut, die er von seinem Selbstmordversuch davongetragen hat - aufgehängt am Duschhaken; dieser dünne, hagere Chinese, der eine Frau brutalst vergewaltigt hat, sodass sie dauerhafte schwere körperliche Schäden davongetragen hat. Dieser Chinese, der eigentlich nur im Urlaub hier war und nicht weiß, ob er daraus jemals zurückkehren wird.

Der gut gebaute junge Mann meines Alters, der in Checker-Klamotten den Raum betritt, völlig fertig, von Stimmen berichtet, die sich hämisch über sein Leid lustig machen, die er nicht abstellen kann, völlig aufgedunsen von dem zu stillenden Hunger, den die Medikamente ihm bereiten.

Der Schwachsinnige, der einen IQ von 55 hat, lacht, zufrieden ist?

Der liebe Opi, der so unglaublich pädophil ist, dass man kotzen möchte.

In der Zelle: Tigerbettwäsche, Katzenkalender, Pferdeposter...

Das Fazit:
Es gibt keine Monster, es gibt nur Menschen.
Und:
Uns geht es verdammt gut.

2 Kommentare:

  1. Aber das ist ein sehr mutiger Beitrag, der so allerhand Emotionen provoziert.

    Pfiffigste denkt ...

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  2. Da würde ich gerne noch mehr von Dir erzählt bekommen.
    Hast Du mit den Gefangenen selbst gesprochen oder nur zugehört? Wie liefen die Gespräche ab?
    Zu welchen Zweck fanden die Gespräche statt?
    Hast Du generell die Gefangenen erst "erlebt" und hinterher ihre kriminelle Vergangenheit erfahren.
    Die forensische Psychiatrie muss ja Alpträume hervorrufen!
    Zu Deinem Fazit: das kann ich nur unterstreichen und ergänzen, dass wir auch unglaubliches Glück haben!

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